Rechtsgutachten: Thüringer Agrarstrukturgesetz ist verfassungswidrig

14.09.2023 - 18:37:48

Für die Initiativen einiger ostdeutscher Landesregierungen zur stärkeren Regulierung des landwirtschaftlichen Bodenmarkts wird die Luft dünner.

Bodenmarkt
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Ein heute in Erfurt vorgestelltes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Thüringer Entwurf für ein Agrar- und Forstflächenstrukturgesetz (ThürAFSG) in weiten Teilen verfassungswidrig sei. Ähnliche Gesetzentwürfe gibt es in Brandenburg und Sachsen.

Auftraggeber des Gutachtens sind der Thüringer Bauernverband (TBV), der Verband der Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen sowie der Genossenschaftsverband - Verband der Regionen. Autorin ist die Lehrstuhlinhaberin für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Prof. Anna Leisner-Egensperger.

Nach ihrer Auffassung überschreitet der Freistaat Thüringen mit der Vorlage seine Gesetzgebungskompetenz. Dies gelte insbesondere für die vorgesehene Genehmigungspflicht für den Erwerb von Unternehmensanteilen. Die Wissenschaftlerin sieht in der geplanten Einführung der Genehmigungsbedürftigkeit für Share Deals einen erheblichen Eingriff in die Eigentumsfreiheit, der weder erforderlich noch angemessen sei.

Verfassungsrechtliche Bedenken hat die Gutachterin zudem bei der Definition des Begriffs „Landwirt“ im Gesetzestext, der Anhebung der Genehmigungsgrenze auf 1 ha, der Regelung zu genehmigungsfreien Geschäften zugunsten von Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie bei den Verordnungsermächtigungen. Außerdem enthalte der Gesetzentwurf zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, insbesondere wenn von „beherrschendem Einfluss auf den landwirtschaftlichen Betrieb“, die Rede sei.

Wagner fordert Stopp

TBV-Präsident Dr. Klaus Wagner, forderte die Landesregierung auf, das Agrar- und Forststrukturgesetz zu stoppen: „Statt die Thüringer Landwirte zu stärken, schafft das geplante Gesetz neue rechtliche Unsicherheiten für die heimischen Agrarbetriebe.“ Das Agrarstrukturgesetz schwäche die ökonomische Handlungs- und Widerstandsfähigkeit der Betriebe. Der Vorstandsvorsitzende der Familienbetriebe, Dr. Hartwig Kübler, warnte vor einer Einschränkung des Eigentumsrechts: „Eigentum ist die Grundlage unserer Familienbetriebe. Wenn wir darüber nicht mehr frei verfügen können, verliert es an Wert.“ Schon heute sei der Grundstücksmarkt stark reguliert.

Grundsätzlich falscher Ansatz

Dr. Andreas Eisen vom Genossenschaftsverband bezeichnete es als grundsätzlich falschen Ansatz, die Agrarstruktur durch weitergehende ordnungsrechtliche Eingriffe gestalten zu wollen. Die auch in anderen Bundesländern bisher vorgelegten Gesetzesentwürfe seien kontraproduktiv für eine nachhaltige Agrarstruktur. Eisen zufolge dürfte das vorgelegte Gutachten auch Auswirkungen auf vergleichbare Gesetzgebungsbestrebungen in anderen Bundesländern haben: „Was in Thüringen verfassungswidrig ist, ist es überall in Deutschland.“

Quelle: AgE/rm
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