Branchenverband befürchtet schwere Vermarktungsprobleme

07.04.2022 - 12:01:56

Während sich der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solskyi in der vergangenen Woche noch optimistisch gezeigt hatte, was den Auf- und Ausbau alternativer Exportmöglichkeiten aus dem kriegsgeschüttelten Land angeht, gibt sich der stellvertretende Vorsitzende des Ukrainischen Agrarrates (VAR), Mykhailo Sokolov, deutlich skeptischer.

Schwarzmeerhäfen Getreideexporte
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Er geht davon aus, dass die prekäre Situation im Exportgeschäft nur durch eine Aufhebung der russischen Seeblockade vor den ukrainischen Häfen erreicht werden kann.

Laut dem Verband hat die Ukraine in Friedenszeiten 98 % ihrer Agrarausfuhren über die Schwarzmeerhäfen abgewickelt. Ihm zufolge ist es praktisch unmöglich, vergleichbare Volumina auch nur ansatzweise auf die Schiene oder den LKW zu verlagern. Das wäre beispielsweise eine Voraussetzung für die von Solskyi angestrebte Verschiffung über ausländische Häfen wie dem rumänischen Frachthafen Agigea.

Der VAR weist darauf hin, dass die ukrainische Eisenbahngesellschaft derzeit maximal rund 20.000 t Getreide pro Tag verladen könne. Selbst wenn man diese Leistung verdoppeln würde, was ohnehin völlig unrealistisch sei, läge die Jahreskapazität bei höchstens 15 Mio. t pro Jahr. Der Verband geht unter den aktuellen Bedingungen davon aus, dass höchstens 700.000 t Agrarrohstoffe pro Monat auf die Schiene gebracht werden können. Rechne man die Verschiffung auf der Donau hinzu, ergebe sich eine jährliche Ausfuhrmenge von höchstens gut 20 Mio. t, also nur ein Bruchteil der rund 70 Mio. t Getreide, die 2021 exportiert wurden.

Nach Darstellung des Branchenverbandes kommt damit ein weiteres Problem auf die ukrainischen Landwirte zu. Ihm zufolge dürften zum Start der neuen Ernte noch mindestens 34 Mio. t unvermarktetes Getreide und Ölsaaten auf Lager liegen. Die landesweiten Kapazitäten für eine längere Lagerung liegen derzeit bei rund 50 Mio. t. Selbst in Anbetracht einer deutlichen Anbaueinschränkung und niedrigeren Erträgen dürfte der verbliebene Lagerraum daher bei weitem nicht für die Aufnahme der Ernte 2022 ausreichen. Der Agrarrat rät deshalb zum rechtzeitigen Aufbau provisorischer Lagerkapazitäten. Zudem müsse alles daran gesetzt werden, die russische Blockade zu beenden und die Seehäfen wieder in Betrieb zu nehmen.

Quelle: AgE

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