Volatile Märkte: Rapspreise nach Rücksetzer nicht frühzeitig abschreiben

22.06.2022 - 11:34:25

Die Rapskurse an den internationalen Terminmärkten sind zuletzt regelrecht kollabiert. An der europäischen Leitbörse Matif verlor der vordere Terminkontrakt zur Abrechnung im August 2022 innerhalb von nur zwei Tagen bis zum gestrigen Handelsschluss 38 Euro oder 5 %; er kostete 719,75 Euro/t. Seit Anfang Juni ist damit bei dem Frontmonat ein Minus von 90 Euro/t aufgelaufen.

Raps
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Ein Grund für den Kursrutsch ist nach Beobachtung der Marktexpertin Wiebeke Mohr von der Hanse Agro Unternehmensberatungs GmbH der Einbruch der Notierungen für Palmöl an der Börse von Malaysia – als Reaktion auf die Aufhebung des indonesischen Exportstopps auf Palmölerzeugnisse. „Dazu kommt eine absehbar große Ölsaatenernte in der Kampagne 2022/23, geschuldet in erster Linie einem hohen Sojaaufkommen“, berichtete Mohr bei einer Düngefachtagung der SKW Piesteritz, die am Montag mit gut 200 Teilnehmern digital durchgeführt wurde.

Beim Rapsangebot aus laufender Produktion erwartet das US-Agrarressort (USDA) Mohr zufolge für 2022/23 gegenüber der aktuellen Kampagne eine Steigerung um 10 Mio. t. In Kanada werde dieses Jahr wieder eine „normale“ Canola-Ernte zwischen 19 Mio. t und 20 Mio. t erwartet, nachdem 2021 dürrebedingt in dem nordamerikanischen Land nur 12,5 Mio. t Raps gedroschen worden seien. „Für zusätzlichen Preisdruck beim Raps sorgt die in Deutschland geplante Einschränkung der Beimischung von Biodiesel aus Anbaubiomasse“, so Mohr.

Allerdings hält es die Marktexpertin für verfrüht, die Rapspreise deshalb abzuschreiben. „Ob es Dürreschäden in Deutschland, Frankreich und Polen gegeben hat, wird sich nämlich erst zeigen“, argumentierte Mohr. Zudem böten niedrige Vorräte und die aktuellen Handelsbeschränkungen nur geringe Spielräume für unterdurchschnittliche Erträge. Unsicherheit herrsche vor allem, was die Verfügbarkeit von Raps aus der Ukraine im Herbst angehe. Sollte Ware von dort verspätet bei den europäischen Ölmühlen eintreffen oder nur in geringem Umfang, könnte dies die Rapspreise hierzulande stützen. Deswegen erwartet Mohr beim Raps eine hohe Preisvolatilität. „Die Kursschwankungen aufgrund von Wettermeldungen und politischen Nachrichten bleiben hoch“, ist sie überzeugt.

Für die Marktexpertin stellt sich aktuell die Frage, was beim Rapspreis das „neue Normal“ ist. Viele Marktteilnehmer seien aktuell der Meinung, der Raps müsse niedriger bewertet werden - abzulesen am aktuellen Rücksetzer. Die Richtung der Kurse könne sich aber auch schnell wieder ändern, sollte das Wetter den amerikanischen oder kanadischen Farmern einen Strich durch die Rechnung machen. „Wir sind momentan in einer Welt unterwegs, die es so noch nie gegeben hat“, stellte Mohr fest. Noch vor einem Jahr hätte sich niemand vorstellen können, dass Raps an der Matif einmal 1.000 Euro/t kosten könne. Was die weitere Entwicklung der Rapspreise angeht, hält Mohr aufgrund der kaum kalkulierbaren Unsicherheiten kurzfristig eine Kursbewegung nach oben wie unten für möglich. „Das macht die richtige Vermarktungsstrategie so entscheidend“, lautet das Fazit der Unternehmensberaterin.

Quelle: AgE
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